
Geschichte
„Warum sieht die Wilhelm-Raabe-Schule eigentlich aus wie ein mittelalterliches Schloss, das erinnert mich an die Hogwarts-Schule bei Harry Potter?“
Diese Frage hören wir häufig gerade von jüngeren Schülerinnen und Schülern, wenn sie an unsere Schule kommen. Und tatsächlich sind wir damit schon mitten im Geschichtsunterricht. Dieses Schulgebäude, fertiggestellt 1908, ist natürlich eine Quelle, mit deren Hilfe wir die Vergangenheit erforschen können. Wir müssen nur genau hinsehen und die richtigen Fragen stellen. Dann beginnt das Gebäude zu sprechen, denn Architektur ist nie rein funktional, sie ist immer auch Politik und Botschaft. Und es ist gut zu erklären, warum dieses Gebäude in genau diesem Stil errichtet wurde. Und wenn ich das wiederum begreife, dann werde ich auch die Architektur der Gegenwart mit anderen Augen betrachten und mir neue Fragen stellen.
Dieses kleine Beispiel zeigt bereits, worum es uns im Geschichtsunterricht geht. Es geht schon lange nicht mehr darum, stur und ohne Überlegung Jahreszahlen auswendig zu lernen. Es geht darum, mit Hilfe der Geschichte die Gegenwart zu verstehen. Und dafür müssen wir im kritischen, analytischen Denken geschult werden. Ein guter und problemorientiert aufgebauter Geschichtsunterricht trainiert mithin das Denken, er schult den Blick auf sich selbst und auf die uns umgebende Gesellschaft, er gibt uns Hilfen, die Gegenwart und uns selbst zu verstehen, denn das Jetzt hat immer mit dem Gestern zu tun.
Natürlich entwickelt man diese analytischen Fähigkeiten erst mit den Jahren, wir beginnen daher behutsam mit der Vor- und Frühgeschichte in den 5. Klassen. Es folgt dann ein Gang durch die Geschichte, der schließlich in der 10. Klasse mit der Geschichte der Gegenwart endet (vgl. Kerncurriculum). In der Oberstufe vertiefen wir dann das Grundlagenwissen, das in der Sekundarstufe I erworben wurde. Hier arbeiten wir mit Modulen, also Schwerpunktthemen mit übergeordneter Fragestellung, die auch von Zeit zu Zeit gewechselt werden. Dabei ist die Einführungsphase (Klasse 11) als retardierendes, auf die Qualifikationsphase (Klasse 12-13) vorbereitendes Moment gedacht. Hier sollen Schülerinnen und Schüler aus anderen Bildungsgängen behutsam an die gymnasiale Arbeitsweise herangeführt werden und außerdem werden grundlegende methodische Kompetenzen wiederholt und vertieft. Schon in der Sekundarstufe haben wir die Lernenden langsam an die Arbeit mit historischen Quellen herangeführt, jetzt haben wir das Ziel vor Augen: Wir streben einen umfassend gebildeten Menschen an, der in der Lage ist, kritisch, verknüpft und analytisch zu denken und der darin geschult ist, selbstständig historische Quellen zu untersuchen, zu interpretieren und zum Sprechen zu bringen.
Und im Idealfall erinnert sich dann vielleicht eine Schülerin an ihre ersten Tage an der Wilhelm-Raabe-Schule und an ihre Frage, warum denn dieses Gebäude genau so aussieht, wie es aussieht. Sie kennt den Zeitgeist von 1908, sie kennt die Wilhelminische Epoche, den Kaiser und das Denken jener Zeit. Und sie wird ganz sicher die Wilhelm-Raabe-Schule nicht mehr mit Hogwarts verwechseln!
